Kirmes vor 50 Jahren: atemberaubende Loopings im „Enterprise“ und „Todesfahrer an der Steilwand“
„Alles steht Kopf vor Vergnügen!“ Welch eine großartige Aussicht! Was da so vollmundig und vielversprechend angekündigt wurde, traf wirklich zu. Das bestätigten Scharen begeisterter Besucher, die während der Allerheiligenkirmes 1974 die Gondeln stürmten, um bei rasend schnellen Rotationen spektakuläre Kapriolen zu erfahren.
Atemberaubende Loopings im „Enterprise“ in den 1970er-Jahren.
Foto: Lothar Horst und aus „Soester Kirmesgeschichten, Teil 3“
Dreht heute noch seine Runden mitten auf dem Marktplatz – der Musik-Express.
Foto: Lothar Horst und aus „Soester Kirmesgeschichten, Teil 3“
Beliebt bei Alt und Jung – das Calypso auf dem Hansaplatz.
Foto: Lothar Horst und aus „Soester Kirmesgeschichten, Teil 3“
Machte die Soester gerne schwindelig – das beliebte „Round Up“.
Foto: Lothar Horst und aus „Soester Kirmesgeschichten, Teil 3“
Drehte hoch über Soest seine Runden – der Zeppelin auf dem Ressourcenplatz in den 1970er-Jahren.
Foto: Lothar Horst und aus „Soester Kirmesgeschichten, Teil 3“
Einsteigen zu einer neuen Fahrt im legendären Zeppelin.
Foto: Lothar Horst und aus „Soester Kirmesgeschichten, Teil 3“
„Alles steht Kopf vor Vergnügen!“ Welch eine großartige Aussicht! Was da so vollmundig und vielversprechend angekündigt wurde, traf wirklich zu. Das bestätigten Scharen begeisterter Besucher, die während der Allerheiligenkirmes 1974 die Gondeln stürmten, um bei rasend schnellen Rotationen spektakuläre Kapriolen zu erfahren. Mit dem „Enterprise“ stand vor 50 Jahren das „modernste Karussell der Welt“ auf dem Kohlbrink und faszinierte mit atemberaubenden Loopings.
Wer gemächlicher abheben, dennoch dem Himmel ganz nah sein und die Welt von oben betrachten wollte, stieg in den neuen „Wellenflieger“, eine weitere Attraktion, die vor 50 Jahren im Bereich Hansastraße ihre besondere Anziehungskraft entfaltete. Auf dem Kerstin-Parkplatz zwischen der Deutschen Bank und der alten Ländlichen Sparkasse (die hatte gerade den Neubau an der Puppenstraße bezogen) drehte sich das beliebte „Round Up“ , und an der Ressource lud das Fahrgeschäft „Zeppelin“ als weiterer geschätzter Klassiker zum grandiosen Höhenflug ein.
„Das größte transportable, immer noch unübertroffene Riesenrad der Welt“ bot auf dem Kohlbrink bei jeder Runde einen herrlichen Blick aus vierzig Metern Höhe auf die ausgelassen feiernde Stadt. „Ist das tatsächlich schon so lange her? Wo ist die Zeit geblieben?“, werden sich viele Soester fragen, die sich damals ins Getümmel stürzten. Sie werden sich bestimmt noch gut an Schneiders Super-Autoscooter auf dem Marktplatz mit den bunten, schicken Wagen „Pariser Modell 70“ erinnern, die sich hervorragend für ungestüme Fahrten und zartes Flirten eigneten.
Der „Super Bob“ auf dem ehemaligen Molkereiplatz wartete mit beeindruckenden Daten auf: 650 Meter Fahrbahn, 70 km/h Höchstgeschwindigkeit, 50 Prozent Gefälle und abenteuerliche Kurven von 70 Grad. Zwar waren damals noch die Nachwirkungen der Ölkrise zu spüren, und mancher Soester machte sich im Vorfeld der Kirmes angesichts allgemein stark gestiegener Preise Gedanken, ob er sich den Spaß noch leisten konnte. Dennoch blieb kaum ein überzeugter Kirmes-Fan an den fünf Tagen vom 6. bis 10. November 1974 zuhause. Die Soester zogen ihre dicken Mäntel an, vor allem Jugendliche wickelten sich ihren langen Kirmes-Schal um den Hals – und los ging’s.
In der Stadt herrschte das gewohnt turbulente Treiben, und die gute, leckere Rostbratwurst, die an manchen Ständen gerade einmal eine D-Mark kostete, ging weg wie warme Semmeln. Das Kaufhaus WEKA im Herzen der Stadt bot in der Kirmeswoche täglich eine reichhaltig garnierte Schlachteplatte für 4,50 Mark an. Einige Soester Lokale, die inzwischen Geschichte sind, offerierten ihre deftigen Hausmacher-Spezialitäten. So empfahl das „Braustübl“ in der Thomästraße allen Kirmesgängern seine gutbürgerliche Küche. Auch in der Gaststätte „Zum Eselstall“ in der Leckgadumstraße wurde der Herd nicht kalt, zum schmackhaften Essen – das einstige Stammgäste noch heute ins Schwärmen bringt – gab es gepflegte Getränke. Das Lokal „Zur Tenne“, Auf der Borg, öffnete die Pforten zur Weinprobe. Die heimische Gastronomie fand regen Zuspruch. Wem der Sinn nach Seitenspeck und Schnäpsli stand, steuerte auch gerne die legendäre Schwarzwald-Christel an und genoss auf dem Hansaplatz Herzhaftes aus dem Glottertal.
Gut gestärkt lockte die nächste Station. Oft führte die Tour geradewegs zum Kohlbrink, wo wilde Kerle auf ihren Maschinen im rasanten Tempo senkrecht die Steilwand emporschossen, dann donnernd in die Tiefe stürzten, und das alles kaum eine Armlänge entfernt vom Publikum, das staunend die Augen aufriss, – „boah, die trauen sich was“. Die „Todesfahrer auf der BMW 900“ boten Nervenkitzel pur. Eine wichtige Frage ist jetzt noch offen: Wie sah damals das typische Kirmes-Outfit aus? Nun, die Soester trugen robuste Dufflecoats oder unverwüstliche Parka mit ausreißbarem Teddyfutter – zu haben beim Bekleidungsfachmann Fisser in der Brüderstraße für günstige 89 D-Mark.
Heyke Köppelmann
Publiziert am:
24.10.24