Ein Wiedersehen nach 35 Jahren

Festwoche, Mittwoch später Nachmittag im November 2014. Ich komme mit reichlich Vorfreude zum Kirmesfeiern nach Hause. Auf dem Küchentisch liegt ein Zettel, ich solle bitte umgehend einen Herrn Mittelsdorf anrufen. Dringend! Das gibt es doch nicht, denke ich so bei mir – 35 Jahre hörst du nichts von dem Burschen, aber wenn Allerheiligenkirmes ist, meldet der sich. Dieser Anruf kann warten bis nach der Kirmes! Schließlich werden hier in Soest die wichtigen Sachen in „vor der Kirmes“ und die weniger wichtigen in „nach der Kirmes“ eingeteilt! 

Doch diese Sache ließ mir dann doch keine Ruhe. Also rufe ich – konsequent wie ich nun mal bin – die auf dem Zettel notierte Mobilfunknummer an. Zu meiner großen Überraschung stellte sich schnell heraus, dass der „alte Knabe“ nicht etwa in seiner neuen Heimat weilte, sondern bereits in Soest war: „Ich will mit Dir und den anderen alten Freunden Allerheiligenkirmes feiern!“

Gerne sage ich, gebe ihm aber noch mit auf den Weg: „Wann und wo wollen wir uns denn treffen? Kennst du dich nach so langer Zeit denn noch in Soest aus? Denk dran, Kirmes sieht alles anders aus.“ „Kein Problem“, höre ich: „Wir treffen uns vor dem Wilden Mann. Sofort Mittwochabend?“ „Geht bei mir nicht“, sage ich: „Ist bereits verplant mit Bekannten.“ Gut, dann eben Donnerstagnachmittag. Nach dem Pferdemarktbummel mit meinem Club! Ob das wohl gut geht? Erkenne ich den Kerl auch nach so vielen Jahren noch wieder? 

Zum ausgemachten Zeitpunkt vor dem „Wilden Mann“: Ist er das? Nein, ist er nicht oder der? Nein, auch nicht. Aber dann nach einiger Zeit sehe ich ihn. Der hat sich ja kaum verändert, denke ich. O.k. – älter sind wir alle geworden. Wie sich später dann herausstellte, aber nicht viel weiser. Diese Erkenntnis gewannen wir jedenfalls nach den vielen Gerstensaftgetränken, die wir in unserer unbändigen Wiedersehensfreude relativ unkontrolliert zu uns nahmen. Was hatten wir uns nach all den Jahren nicht alles zu erzählen. In 35 Jahren gesammelte Anekdoten und Ereignisse aus unserem Leben mit unseren beiden Familien sprudelten in den sechs, sieben – oder waren es sogar acht? – Stunden Kirmesbummel aus uns heraus. An diesem Abend nahmen wir unsere wunderschöne Stadt mit seinen Fahrgeschäften, bunten Lichtern, Buden und Gerüchen nur schemenhaft wahr. Genauer hingegen guckten wir uns die Getränkestände an, an denen wir immer wieder Halt machen mussten, um unsere vom vielen Reden trockenen Kehlen zu benetzen.

Mein alter Jugendfreund Hans-Georg schwärmte nur so von der Kirmes, die er in dieser Pracht und Vielfalt und in diesen Ausmaßen nun nach 35 Jahren Abstinenz erstmals wieder erlebte. Am meisten beeindruckten ihn die Fröhlichkeit, die Ausgelassenheit und das friedliche Feiern von Jung und Alt. Am nächsten Tag – nach einem ausgiebigen Mittagessen – verabschiedeten wir uns herzlich. 

Aber nicht für lange. Denn dieser Kirmesbummel ließ unsere alte Freundschaft wieder aufleben. Wir treffen uns nun regelmäßig und – wenn es bei meinem Freund funktioniert – natürlich gerne auch zur nächsten Allerheiligenkirmes. Wie sagte er beim letzten Mal so schön: „Einmal Allerheiligenkirmes, immer wieder Allerheiligenkirmes, mit dem Soester Flair können die Wies‘n nicht mithalten!“ Er muss es wissen, denn er hat etliche Jahre in München gelebt und war zu der Zeit Stammgast auf den Wies‘n…

09 Jahre später, Kirmes 2023, die alte Freundschaft besteht noch immer, Kirmesbesuch aus dem hohen Norden steht wieder einmal an. Treffpunkt damals wie heute vor dem „Wilden Mann“. Nun denn, wir werden gemütlich über die Kirmesplätze und durch die Straßen schlendern, nicht mehr ganz so wild wie früher, nur ein klein wenig älter, mit Erinnerungen an vormalige Zeiten und die Besuche in den vergangenen Jahren …

Von: Lothar Horst

Diese und weitere Geschichten hier:

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Soester Kirmesgeschichten Teil 4
Soester Kirmesgeschichten Teil 4

Publiziert am:

30.12.23