Alte Liebe rostet nicht – verflossen, aber nicht vergessen

Alte Liebe rostet nicht. Denken leidenschaftliche Fans der Soester Allerheiligenkirmes an diesen einen großen Schatz, dann hüpft ihr Herz, und sie spüren noch wie früher das unbestimmte Kribbeln, die wohlige Aufregung und das flaue Gefühl im Bauch, als würden Schmetterlinge wild herumflattern. Sie geraten ins Schwärmen und gestehen ein, dass sie der „Alten Liebe“ regelrecht verfallen waren – eine tiefe Verbundenheit, die bis heute anhält, denn die fantastische, atemberaubende, wundervolle, zauberhafte Schönheit, die sie einst in stürmischer See von Woge zu Woge, fast bis in den Himmel, trug, geht ihnen nicht aus dem Kopf.

Zwar hieß es vor 25 Jahren, Abschied nehmen von der einzigartigen Schiff-Schaukel – schon damals als Kult-Klassiker gerühmt – , doch ungezählte Verehrer erzählen immer noch mit heller Begeisterung und glänzenden Augen, wie schön es damals war, und wie viel Spaß es machte, entweder selber an Bord zu gehen oder vom sicheren Ufer aus, mit festem Boden unter den Füßen, das Juchzen, Lachen und Kreischen der Passagiere zu hören. Die „Alte Liebe“ ist verflossen, vergessen aber ist sie nicht, wird sie wohl auch nie. Was war das für ein Schrecken, als sich im noch jungen Jahr 1999 die Nachricht verbreitete, der Soester liebstes Boot steuere nicht mehr die Allerheiligenkirmes an, sondern gehe im Allgäu fest vor Anker! Die Kirmes 1998 war damals noch lebhaft im Gedächtnis und damit auch die letzte Fahrt der „Alten Liebe“ am Sonntag vor Café Fromme. Stach sie in See, und kam sie ordentlich in Schwung, blieb kaum ein Platz leer. Nun hatte es sich ausgeschunkelt.

Zwei Jahrzehnte lang prägte die „Alte Liebe“ wie kaum ein anderes Fahrgeschäft das Bild des fünftägigen Rummels, der Soest immer im November in den Ausnahmezustand versetzt. Viele Soester, die sich durchs Gewühl schoben, schauten zuerst einmal am Markt vorbei, um maritimes Flair aufzunehmen. Sie warfen einen Blick auf das Bild von Hans Albers, und mit einem ergreifenden „La Paloma ohe“ auf den Lippen oder „Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise, nimm uns mit in die weite, weite Welt“ ging’s weiter. Das gehörte nun der Vergangenheit an. Aus und vorbei! Eigner Gustav Schneider hatte sich schweren Herzens aus wirtschaftlichen Gründen zum Verkauf entschlossen. Doch das Geschäft werde immer schwieriger, die Kosten lägen inzwischen höher als der Gewinn. So glänzend wie in Soest laufe es anderswo nicht. Man müsse sehen, dass sich alles noch rechnet, und man nicht noch draufzahle. Deshalb ziehe er die Reißleine. Auch ihm falle die Trennung nicht leicht, verriet der Schausteller damals.

Mitte der 1980er-Jahre war die „Alte Liebe" für viele Soester längst das beliebteste Karussell geworden. Lothar Horst kramte aus seinem riesigen Kirmesarchiv nicht nur ein paar tolle Bilder, sondern auch schöne Erinnerungen hervor. „Es war Sonntagnacht. Etwa 2 Uhr! Nach einem ausgiebigen Kirmesbummel mit anschließendem Besuch der damals angesagten Diskothek JOY am Bunker befanden wir uns gerade auf dem Heimweg, als wir plötzlich auf Höhe des Hansaplatzes lautes Gejohle hörten und ein Geräusch wie ‚buum....buum‘. Was war da los, fragten wir uns. Ein paar Meter weiter sahen wir die Antwort.

Mitten auf dem Marktplatz standen noch etwa 50 Kirmesbesucher vor der Alten Liebe. Und die schaukelte die letzten Fahrgäste bis zum Erbrechen begleitet von lautem  Gejohle der Umstehenden. Der Rekommandeur war heiser und konnte nur noch krächzen: ‚Ihr seid verrückt, so was Beklopptes gibts nur hier bei uns in Soest, wollt ihr noch eine Runde?‘ – Mit jedem ‚Nee, aufhören‘ wurde fleißig noch eine Runde mehr geschaukelt. Thomas Schneider hat mir später einmal erzählt, dass das in diesen Jahren oft so war: ‚Die Leute waren einfach verrückt. Wir konnten die doch nicht stehen lassen, wir mussten die doch ‚wegfahren‘. Ja so war das damals mit unserer Soester Kultschaukel hier auf der besten, größten und schönsten aller Kirmessen“, denkt Lothar Horst mit einem lachenden und einem weinenden Auge an seine „Alte Liebe“ zurück.

Die „Alte Liebe“ liegt heute auf einer grünen Insel vor Anker inmitten des Skyline-Park-Sees in Rammingen, nahe Bad Wörishofen – ein lohnendes Ziel für alle Soester, die in Bayern Urlaub machen, und ihre alte Liebe auffrischen und in Erinnerungen schwelgen wollen, denn „diese eine Liebe wird nie zu Ende geh’n...“.

Publiziert am:

24.10.24