Zum 90. von Wilfried Mahler: Ein Tennisschläger auf dem Dachboden in Pettstädt prägte sein Leben

Wer weiß, wie der Lebensweg von Wilfried Mahler verlaufen wäre, wenn er nicht auf dem Dachboden des elterlichen Anwesens in Pettstädt herumgestöbert hätte. Als 13-Jähriger wühlte er durch große Kisten und entdeckte dabei einen Tennisschläger. Nicht irgendeinen, sondern ein beinahe antikes Sportgerät, das fortan prägend war für den damaligen Heranwachsenden in seiner Heimat in Sachsen-Anhalt. Denn im „weißen Sport“, wie Tennis damals noch genannt wurde, findet der Soester seither den Ausgleich im viele Jahrzehnte sehr fordernden Alltag.

Am 2. Weihnachtstag vollendet Wilfried Mahler sein 90. Lebensjahr, hat in seiner Wahlheimat in der Soester Börde viele Spuren hinterlassen, die eben mit jener Entdeckung aus dem Jahr 1948 zu tun haben. „Es war der Schläger meines Onkels, der im 1. Weltkrieg gefallen war. Der Schläger lag seit 1916 auf dem Dachboden, hatte noch eine Darmbesaitung“, erzählt Wilfried Mahler. Das Fundstück löste bei ihm eine Faszination für diesen Sport aus. Mit einer Schar Gleichgesinnter machte sich der Jugendliche daran, die alten Tennisplätze in Weißenfels, der unweit seines Heimatdorfes gelegenen Amtsstadt an der Saale, zu sanieren. Einige Jahre lang übte sich der Bauernsohn mit der gelben Filzkugel auf dem roten Sand, ehe dieses Freizeitvergnügen im April 1953 ein jähes Ende nahm.

Seine Eltern standen vor der Enteignung des Hofes durch die DDR-Behörden, sogar eine Festnahme des Vaters war zu befürchten. Daher fasste die Familie den Entschluss, die Heimat zu verlassen. Sie bewältigten den gefährlichen Weg in die Freiheit, der für den inzwischen 18-Jährigen in die Soester Börde führte. Denn auf einem Hof auf der Neuengeseker Heide vollendete er seine landwirtschaftliche Ausbildung. Nach zwei Jahren auf dem Hof entschloss sich Wilfried Mahler zum Besuch der Höheren Landbauschule in Soest, lebte fortan in einer kleinen Wohnung an der Thomästraße. Damit war der Weg geebnet für ein Leben in der Bördemetropole, wenngleich der damals 23-Jährige noch nicht ahnen konnte, dass Soest seine zweite Heimat werden würde.

Doch in Soest fand er seine erste Liebe. Seine spätere Frau Marlies war Anfang der 1960er-Jahre nicht ganz unschuldig daran, dass seine Leidenschaft für den Tennissport wieder entfacht wurde, führte sie ihn doch zum TC Blau-Weiß. Fortan schwang der inzwischen von der Landwirtschaft in die Versicherungsbranche gewechselte Neu-Soester das Racket am Stadtpark. Auch zehn Jahre in München änderten nichts an der Begeisterung für den „weißen Sport“, dem er nach der Rückkehr der Familie nach Soest im Jahr 1983 wieder am Stadtpark frönte. „Mahlers Mannen“ sorgten für so manche Triumphe. Wilfried Mahler, durch den Tod von Tochter und Frau in den 1990ern vom Schicksal schwer getroffen, ließ sich gar in die Verantwortung nehmen, als das Vereinsschiff kurz vor der Jahrhundertwende ins Schlingern geraten war. 16 Jahre leitete er den Club, führte ihn von Erfolg zu Erfolg. 

In dieser Zeit fand er auch seine zweite Liebe, gründete mit Ivonne Kuss eine neue Familie. Die Herausforderung für einen Mann im Rentneralter war immens, hielt ihn gleichwohl nicht davon ab, weiter um Spiel, Satz und Sieg auf der roten Asche zu spielen. Bis zur Weltmeisterschaft mit den deutschen Senioren kletterte er 2015 auf der Erfolgsleiter. Und zuletzt engagierte sich Wilfried Mahler mit ganzem Elan dem Vorhaben, der alten Ruthemeyer-Tennishalle am Jahnstadion wieder neues Leben einzuhauchen. Im 90. Lebensjahr durfte er stolz sein auf die Vollendung der neuen Halle, in der er nun regelmäßig montags mit Frau und den Kindern Valentin und Mira ans Netz geht.

Dirk Wilms

Weitere Infos:

Eine ausführliche Geschichte über den sportlichen Werdegang von Wilfried Mahler in Soest gibt es auch im Buch „SOEST in den 1960er-Jahren“ 

https://blundus-shop.net/soest-in-den-1960er-jahren-schoen-war-die-zeit-30

Publiziert am:

20.12.24